Die Krone der Sonne

TEXT THOMAS BÜHRKE
Ein Gang durch das Foyer des beschaulich zwischen Wiesen und Feldern gelegenen Instituts führt die lange Tradition in der Sonnenforschung vor Augen. Von den Helios-Sonden der 1970er-Jahre über Ulysses und Cluster bis hin zu den modernen Sonnenobservatorien Soho und Stereo – an allen Missionen waren und sind Max-Planck-Forscher beteiligt. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich dort die wohl größte Gruppe von Sonnenphysikern in Europa herausgebildet. Einen Schwerpunkt bildet die Korona. „Sie ist die Schnittstelle zwischen unserem Stern und seiner Heliosphäre, in die auch unsere Erde eingebettet ist“, sagt Direktor Sami Solanki.
Um die Korona zu verstehen, betrachten die Wissenschaftler die Sonne als ganzheitliches System: Eine Gruppe beschäftigt sich mit dem Innern unseres Tagesgestirns, wo letztlich die Wurzeln der außen sichtbaren Aktivitäten liegen. Das Ballonteleskop Sunrise wiederum studierte im Jahr 2009 die Sonnenoberfläche mit unerreichter Genauigkeit. Beobachter und Theoretiker erforschen die Korona. Und Solanki selbst untersucht den Einfluss der Sonnenaktivität auf das Erdklima.
Schon lange wissen Astronomen, dass an der Oberfläche unseres Tagesgestirns eine Temperatur von etwa 5500 Grad Celsius herrscht. Die Oberfläche ist jener Bereich des heißen, brodelnden Gasballs, den wir mit bloßem Auge erkennen. Vor 80 Jahren begannen Wissenschaftler damit, die Korona genauer zu studieren – jene sehr dünne äußere Sonnenatmosphäre. Dabei stellten sie mit Erstaunen fest, dass dort Temperaturen von mehreren Millionen Grad herrschen. Physikalisch scheint dies auf den ersten Blick genauso unmöglich zu sein wie der Versuch, auf einer 50 Grad heißen Herdplatte Wasser zum Kochen zu bringen. Und doch ist es auf der Sonne so.
Das Magnetfeld heizt dem Stern ordentlich ein
Ein Millionen Grad heißes Gas sendet Strahlung überwiegend im Ultravioletten sowie im Röntgenbereich aus. Das bei einer Sonnenfinsternis erkennbare Koronaleuchten im sichtbaren Licht ist nur ein schwacher Schein. Da unsere Atmosphäre die kurzwellige UV-Strahlung schluckt, muss man Teleskope im Weltraum stationieren. Das europäischamerikanische Observatorium Soho ist 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und hat die Sonne ununterbrochen im Blick. Die Aufnahmen mit den verschiedenen Instrumenten sind so weit automatisiert, dass man sie via Internet nahezu in Echtzeit anschauen kann.
Besonders stolz sind die Sonnenbeobachter in Göttingen auf das unter ihrer Leitung gebaute Spektrometer Sumer (Solar Ultraviolet Measurements of Emitted Radiation), das auf Soho seit 1996 unermüdlich seinen Dienst tut. Sumer spaltet das Sonnenlicht in seine Spektralfarben auf, allerdings nicht im Bereich des sichtbaren Lichts, sondern tief im Ultravioletten. Denn hier lässt sich die Korona besonders gut studieren.
„Sumer hat dazu beigetragen, viele Details des Heizungsmechanismus der Korona zu erforschen, weil man aus dem spektral zerlegten UV-Licht wichtige Größen des Gases wie Temperatur, Dichte und Geschwindigkeit ermitteln kann“, sagt Max-Planck-Forscher Werner Curdt. Heute stimmen die Experten darin überein, dass das Magnetfeld der Sonne die Heizung der Korona bewirkt. Die Frage ist nur: wie?
Das Magnetfeld entsteht etwa 200.000 Kilometer unter der Oberfläche. Anders als bei der Erde, wo es hauptsächlich an den beiden Polen zutage kommt, ist die Sonnenoberfläche überall durchsetzt von ein- und austretenden Feldlinien. Besonders stark sind die Magnetfelder in den dunklen Sonnenflecken. Paarweise bilden diese die Fußpunkte eines brückenförmig aus der Oberfläche austretenden Feldlinienbündels. Zwei Flecken markieren also jeweils Nord- und Südpol eines lokalen Magnetfelds.